Der X-Eigner Elon Musk hat eine neue KI-Enzyklopädie gestartet: Grokipedia. Das jüngste Projekt seines Unternehmens xAI, umfasst laut Search Engine Roundtable schon jetzt fast 900.000 automatisch erstellte Artikel. Nur wenige Tage nach dem Start sind Hunderte davon in den Suchergebnissen von Google und Bing aufgetaucht, obwohl Google bereits seit einiger Zeit mit klaren Spam-Richtlinien gegen massenhaft automatisiert erstellte Inhalte vorgeht und diese 2024 um die Kategorie Scaled Content Abuse“ erweitert hat. Mit dem Spam Update im August 2025 sollten solche KI-Fließbandtexte eigentlich noch gezielter erkannt und entfernt werden.
Grokipedia-Start:
„Besseres“ Wikipedia mit KI und ersten Problemen
Von Grok zu Grokipedia: maximale Skalierung, minimale Kontrolle
Grok stand in den vergangenen Monaten unter anderem wegen virtueller Companions, darunter ein Anime-Girl im Korset, antisemitischer Äußerungen, offener Hitler-Verehrung und dem jüngst eingeführten dem Spicy Mode massiv in der Kritik. All diese Entwicklungen verschieben die ethischen Grenzen der KI-Nutzung weiter.
Mit Grokipedia verfolgt Musk dieselbe Linie weiter, die er schon mit der Transformation von Twitter zu X und dem Launch von Grok eingeschlagen hat – maximale Reichweite, radikale Redefreiheit und minimale Moderation. Sein KI-Wikipedia-Unterfangen kommt ohne Redaktion, ohne Quellennachweise und womöglich ohne Kontrolle daher. Wie wir bereits berichtet haben, wurde Grokipedia am 27. Oktober 2025 in Version 0.1 veröffentlicht, laut Musk als „bessere und objektivere Version des menschlichen Wissens“.
Join @xAI and help build Grokipedia, an open source knowledge repository that is vastly better than Wikipedia!
This will be available to the public with no limits on use. https://t.co/3CnfrvNIpI
— Elon Musk (@elonmusk) September 30, 2025
Doch schon kurz nach dem Start tauchten erste Bugs, Plagiate und fragwürdige Inhalte auf. User entdeckten Artikel, die nahezu identisch mit Wikipedia-Texten waren, teils inklusive Lizenzhinweisen. Auch inhaltlich zeigen sich Unstimmigkeiten: Der Publisher Wired dokumentierte Passagen, in denen Grokipedia historische Fakten verzerrt darstellt oder rechtsextreme Narrative aufgreift.
Noch fehlen Bilder, Quellen und Übersetzungen. Die Beta umfasst ausschließlich englischsprachige Artikel und deckt bislang nur rund zehn Prozent des Umfangs der englischen Wikipedia ab. Musk erklärte, Grokipedia sei vollständig Open Source und kostenlos nutzbar, gedacht als Gegenentwurf zu den seiner Ansicht nach politisch verzerrten klassischen Wissensplattformen.
KI-Wissen im Rekordtempo
Die Website selbst ist schlicht aufgebaut: ein Logo, eine Suchleiste, Millionen Zeilen KI-generierten Textes. Der SEO-Experte Barry Schwartz dokumentierte, dass bei einer Google-Suche mit dem Befehl site:grokipedia.com schon wenige Tage nach dem Launch etwa 400 Seiten indexiert waren. Unsere eigene Überprüfung ergab am 4. November 2025 um 11:53 Uhr 410 indexierte Seiten.
Auch der ehemalige Google-Mitarbeiter Pedro Dias bestätigte, dass Social Links und Berichterstattung die Aufnahme in den Index beschleunigt haben dürften.
1 week later, ~478 results. Probably linked from social media and news sources https://t.co/VsdHCh3TxI pic.twitter.com/zVBilRhvuI
— Pedro Dias (@pedrodias) November 3, 2025
Der SEO-Experte Glenn Gabe erklärte, Grokipedia sei anfangs kaum sichtbar gewesen, mit nur wenigen indexierten URLs und ohne erkennbares Suchmaschinenprofil. Inzwischen gewinne die Seite jedoch deutlich an Reichweite.
This will be interesting to follow over time. Just launched, only 26 urls indexed, no favicon in the SERPs yet, no search visibility yet, and a handful of links. Google even thinks you meant ‘wikipedia’ when searching for Grokipedia. For now… 🙂 pic.twitter.com/1IqjdxH95B
— Glenn Gabe (@glenngabe) October 28, 2025
Dass Google Grokipedia überhaupt indexiert, obwohl die Inhalte vollständig KI-generiert und kaum überprüft sind, verdeutlicht ein zentrales Problem: Das Unternehmen muss für die Suche neu evaluieren, ob solche Inhalte den eigenen Qualitätsrichtlinien überhaupt noch gerecht werden.
Google kämpft mit den eigenen Richtlinien
Die Indexierung von Grokipedia-Inhalten ist aus Sicht der Publisher und auch Googles fragwürdig. Seit dem Start von Google neueren Spam-Richtlinien im Frühjahr 2024 geht Google gezielt gegen sogenannten Scaled Content Abuse vor, also gegen Websites, die massenhaft automatisch generierte Inhalte veröffentlichen, ohne redaktionellen Mehrwert oder überprüfte Quellen. Zahlreiche Seiten mit KI-Content wurden seither manuell abgestraft oder komplett aus dem Index entfernt. Doch Grokipedia-Inhalte scheinen trotz ihrer Natur nicht unter diese Richlinie zu fallen.
Innerhalb weniger Tage nach dem Launch tauchten bereits Hunderte der fast 900.000 automatisch generierten Seiten in den Google-Suchergebnissen auf. Der SEO-Experte Martin Jeffrey wies auf LinkedIn darauf hin, dass Google damit offenbar die eigenen Qualitätsrichtlinien unterlaufe. Er erinnerte daran, dass in den vergangenen Monaten Websites mit deutlich weniger KI-Inhalten hart bestraft wurden – während Grokipedia unbehelligt wächst.
Dass Google und Bing die Seiten dennoch indexieren, macht das Projekt zu einem Stresstest für den Umgang mit Gen AI Content im Web. Während Wikipedia auf Nachprüfbarkeit und Moderation setzt, basiert Grokipedia auf einer unkontrollierten Flut maschinell erzeugter Texte. Das gefährdet nicht nur die Informationsqualität, sondern auch das Vertrauen in Suchmaschinen, die solche Inhalte sichtbar machen.
KI, Wikipedia und der Kampf um Informationsqualität
Die Herausforderung, die Grokipedia aufzeigt, geht deutlich über SEO hinaus: Sie betrifft das Fundament des digitalen Informationssystems. Laut dem Artikel von Wired enthält Grokipedia teils gravierende Fehler und ideologische Verzerrungen. Gleichzeitig zeigen Daten des Reuters Institute for the Study of Journalism im Digital News Report 2024, dass eine wachsende Zahl von Menschen Nachrichten über soziale Medien und KI-Assistenzen bezieht, anstatt klassische journalistische oder wissenschaftliche Quellen zu nutzen. Eine Studie des European Broadcasting Union (EBU) dokumentiert, dass KI-Assistants bereits von rund sieben Prozent der Befragten weltweit als Nachrichtenquelle genutzt werden, bei den unter 25-Jährigen liegt der Anteil sogar bei bis zu 15 Prozent.
Diese Entwicklungen verändern die Wahrnehmung von Wissen: Zwischen Einträgen von Wikipedia, Kurzvideos auf TikTok und Chatbot-Antworten verschwimmt die Grenze zwischen überprüfter Information und vermeintlicher Plausibilität, die dem Algorithmus gefällt. Auch Wikipedia selbst steht seit Jahren in der Kritik, politisch voreingenommen oder von bestimmten Communities dominiert zu sein, wie sowohl die Süddeutsche Zeitung als auch eine Untersuchung des Manhattan Institute zeigen. Beide verweisen auf ideologische Schlagseiten in politischen Artikeln und strukturelle Ungleichgewichte in der Autor:innenschaft, etwa den geringen Anteil weiblicher Beitragender und die Dominanz einzelner Gruppen bei der Themenpriorisierung. Musk greift diese Kritik auf und verspricht mit Grokipedia mehr „Objektivität“. Doch bislang hat er diese vermeintliche Neutralität häufig mit seiner eigenen politischen Agenda verknüpft.
Ein Prüfstein für Googles KI-Regeln
Grokipedia zeigt, wie schwierig es für Suchmaschinen geworden ist, zwischen seriösem KI-Einsatz und inhaltsloser Skalierung zu unterscheiden. Wenn eine Website binnen Tagen Hunderttausende Texte veröffentlicht und indexiert wird, wirft das Fragen zu Googles Suchindex auf.
Für Musk ist Grokipedia ein weiterer Schritt, xAI als globalen Player im KI-Markt zu positionieren. Für Google hingegen wird es zum Prüfstein: Reagiert das Unternehmen nicht konsequent, verliert es an Glaubwürdigkeit und das Fundament verlässlicher Information im Netz gerät weiter ins Wanken.
