Ein Experiment unter LinkedIn-Nutzerinnen um Sprache und Macht, über das das DEI-Beratungsunternehmen Culture Plus Consulting berichtet, sorgt gerade für ordentlich Wirbel im Marketing-Kosmos. Immer mehr Frauen berichten, dass ihr Content besser performt, sobald sie ihr Profil auf „männlich“ umstellen und ihre Posts im Broetry-Stil verfassen. Gemeint ist ein Business-Ton, der Hands-on-Energie, überdeutliche Selbstsicherheit und wachstumszentrierte Sprache kombiniert. Dafür stehen Begriffe wie „accelerate“, „transform“ oder „drive“. Diese Wörter gelten in diesem Kontext als besonders vielversprechend, weil sie Handlungsstärke und berufliche Autorität signalisieren. Genau dieser Stil steht im Zentrum des Broetry Writings: kurze, scharf formulierte Sätze, große Versprechen und ein maximales Maß an Drive, Impact und Leadership.
Für einige Creator entsteht dadurch der Eindruck, dass LinkedIn Männer besser rankt oder zumindest jene, die in einem performance-orientierten Vokabular kommunizieren, das in der Plattformkultur eher männlich konnotiert ist. Wir haben uns angeschaut, was an der Annahme dran ist und wie die Plattform auf das Experiment reagiert.
Frauen testen „Male Mode“ und die Zahlen explodieren
Der Publisher The Guardian dokumentierte die ersten Fälle. Die Social-Media- und Brand-Expertin Simone Bonnett änderte ihre Pronomen und ihren Namen in „Simon E Bonnett“ und sah ihre Profilaufrufe um rund das 16-Fache steigen, die Impressionen um das 13-Fache. Sie sprach von „wild reach stats“, die sie selbst überrascht hätten.
Auch Megan Cornish probierte den Ansatz aus. Zuerst stellte sie ihr Geschlecht auf „männlich“. Danach ließ sie ihr Profil mithilfe von ChatGPT in eine bewusst männlich codierte Sprache übertragen. Dazu gehörten Begriffe wie „strategic“ oder „leader“, die laut der Annahme besser im Ranking performen sollen. Ihre Sichtbarkeit wuchs um mehr als 400 Prozent, ein Effekt, der ihren Erfahrungsbericht viral machte und weitere Tests auslöste.
Aber: Der Effekt ist nicht universell. Women of Color berichten sogar von Einbrüchen. Die Tech-Kolumnistin und Speakerin Cass Cooper berichtete, dass ihre Reichweite sank, nachdem sie sowohl Geschlecht als auch ethnische Zugehörigkeit im Profil änderte. Andere Women of Color machten ähnliche Erfahrungen.
Diese Unterschiede machen deutlich, dass Broetry und Gender Switching nicht als allgemeingültige Growth Pusher funktionieren. Sie zeigen vielmehr, wie unterschiedlich Zielgruppen reagieren und wie stark individuelle Netzwerke, Themen und soziale Wahrnehmungen die Performance beeinflussen. Sichtbarkeit entsteht also nicht nur durch den Algorithmus, sondern auch durch die Nutzer:innen selbst, durch das Publikum, das Inhalte bewertet, teilt oder ignoriert.
In einer Zeit, in der sich Brands in einer kompetitiven und komplexen Marketing-Welt behaupten müssen, zählt nicht nur Lautstärke, sondern auch Glaubwürdigkeit. Wer Thought Leadership strategisch angeht, prägt Meinungen, schafft Vertrauen und positioniert sich als Stimme mit echtem Mehrwert. Wie das gelingt? Mit sechs klaren Prinzipien.
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LinkedIn widerspricht: Geschlecht spielt im Ranking keine Rolle
LinkedIn selbst weist die Vorwürfe zurück. Sakshi Jain, LinkedIns Leading AI Safety, Privacy and Governance, nahm Stellung zum Experiment und erklärte, dass weder Geschlecht noch ethnische Angaben in die Ranking-Systeme einfließen. Die Feed-Algorithmen verarbeiten hunderte Signale, darunter Interaktionen, Inhaltstypen, berufliche Relevanz, aber keine demografischen Merkmale.
Parallel räumt LinkedIn ein, dass der Content Output deutlich gestiegen ist. Mehr Posts bedeuten mehr Konkurrenz um begrenzte Aufmerksamkeit. Reichweitenschwankungen könnten daher leicht falsch interpretiert werden. Zusätzlich betont die Plattform, intern regelmäßig zu prüfen, ob bestimmte Gruppen systematisch benachteiligt werden.
Der Bro Boost ist kein Algorithmus-Bug – er ist ein Spiegel der Plattformkultur
Der virale Trend zeigt weniger einen technischen Fehler als die unsichtbaren Codes eines Business-Netzwerks. LinkedIn sagt: Geschlecht ist kein Ranking-Faktor. Die Experimente zeigen eher, wie stark Sprache und Auftreten beeinflussen, wie Inhalte wahrgenommen und eingeordnet werden. Für Creator bedeutet das: Sichtbarkeit entsteht nicht nur durch das, was gepostet wird, sondern auch durch den Unterton, der mitschwingt.
Broetry ist damit weniger ein Hack für das LinkedIn-System als ein Hinweis darauf, wie sehr digitale Arbeitswelten von alten Leistungsidealen geprägt sind und wie dringend mehr Transparenz, Diversität und Nuancen in professionellen Netzwerken gebraucht werden.
