Wir haben das Smarthome-Türschloss von Netatmo ausprobiert. Nach drei Jahren Entwicklungszeit bietet der französische Hersteller die Eingangslösung mit App-Unterstützung jetzt zum Kauf an. Bemerkenswert ist dabei vor allem das von den sonst in diesem Bereich bekannten Lösungen abweichende Konzept: Netatmo verzichtet auf einen integrierten Motor und schließt eine ferngesteuerte selbständige Öffnung der Tür aus.
Dennoch ist es mit dem Netatmo-Schloss auch möglich, Personen per App und aus der Ferne Einlass zu gewähren. Hierfür muss allerdings eine direkte Interaktion an der Tür erfolgen. Zur Erklärung kurz ein Blick auf die Funktionsweise des Schlosses.
Das Netatmo-Schloss ersetzt einen vorhandenen Schließzylinder und ist an der Außenseite mit einem kleinen Drehknauf ausgestattet, der im Normalfall aber funktionslos ist und bei Betätigung keine Wirkung zeigt. Das Schloss greift nur, wenn entweder einer der zugehörigen mechanischen Schlüssel eingesetzt wird, oder man dies über die Netatmo-App beziehungsweise über HomeKit veranlasst. Die Tür öffnet sich wie gesagt aber auch dann nicht von selbst, sondern ermöglicht lediglich für einen kurzen Zeitraum, dass der Außenknauf das Schloss entsperrt und den Schließer zurückzieht.
An diesem Konzept scheiden sich schon deswegen die Geister, weil es schlicht zwei verschiedene Gruppen von Smarthome-Nutzern gibt. Wer maximalen Komfort sucht, wird zu einem anderen Hersteller greifen und sich womöglich sogar an Funktionen wie der automatischen Türöffnung beim Annähern freuen. Das Netatmo-Schloss kann dergleichen nicht bieten, stellt dafür aber sicher, dass die Tür nicht versehentlich geöffnet wird. Selbst, wenn man die Freigabe per App erteilt, ist zusätzlich eine manuelle Interaktion an der Tür erforderlich.
Schnell und einfach installiert
Im Lieferumfang des Netatmo-Schlosses sind der Zylinder mit eventuell benötigten Verlängerungsstücken sowie drei kleinen NFC-Schlüssel enthalten. Zudem bekommt man eine NFC-Besitzerkarte, die man unbedingt sicher aufbewahren muss, weil sich die verbundenen Schlüssel nur damit verwalten lassen und ohne sie auch kein Reset des Schlosses möglich ist.
Der Einbau des Schlosses ist sehr gut erklärt und lässt sich schnell und einfach durchführen. Die Verarbeitung macht größtenteils einen sehr guten Eindruck, Netatmo betont dabei, dass der Zylinder mit einer Anti-Bohr-Sicherung ausgestattet ist und das Schloss selbst so konzipiert wurde, dass es äußerlichen Beschädigungen wie Aufhebeln, Aufbohren, Aufbrechen, Aufschneiden und Eindrücken standhält.
Schade ist allerdings, dass der äußere Knauf des Schlosses für unseren Geschmack zu viel Spiel hat. Dies schränkt zwar die Funktion und wohl auch die Stabilität des Schlosses nicht ein, lässt aber jene Wertigkeit vermissen, die man in dieser Preisklasse erwartet.
Bei der Bedienung an der Tür hatten wir ansonsten keinerlei Probleme. Die Verwendung der NFC-Schlüssel erfordert ein wenig Eingewöhnung, da es einen Moment dauert, bis der Knauf nach dem Einsetzen des Schlüssels greift. Auf der Innenseite des Netatmo-Schlosses sitzt ein größeres Gegenstück von der Größe eines Heizungsthermostats, mit dessen Hilfe man die Tür jederzeit ohne Schlüssel oder sonstige Aktivierung verschließen oder wieder entsperren kann. Die Schlüssel lassen sich jeder für sich beispielsweise bei Verlust sperren und Netatmo bietet zusätzliche NFC-Schlüssel zum Kauf an.
Im Innenknauf sitzen auch vier AAA-Batterien, die neben der Bluetooth-Verbindung auch die Funktion des Öffnungsmechanismus gewährleisten und bei gewöhnlichem Nutzungsverhalten rund ein Jahr halten sollten. Falls die Batterien mal leer sind, hat man von außen die Möglichkeit, eine „Notstromversorgung“ über USB herzustellen und die Tür dennoch zu öffnen.
Bedienung und Konfiguration per App
Bei der zugehörigen App hätte sich Netatmo etwas mehr Mühe geben können. Insbesondere, wenn man nur das Türschloss besitzt, kann es nervig sein, dass die Videotürklingel und die Rauchmelder des Herstellers hier standardmäßig mit integriert sind und sich nicht ausblenden lassen. So kann es zumindest vorkommen, dass man ungeschickt zur Seite wischt und die Werbung für die Türklingel anstelle der Smart-Lock-Seite präsentiert bekommt.
Abgesehen davon bietet die App ein klares und gut bedienbares Interface für das Türschloss, dessen Öffnungsmechanismus sich mit einer großen Taste für etwa sechs Sekunden aktivieren lässt. In dieser Zeit kann man dann den Knauf drehen und die Tür auch ohne eingesteckten Schlüssel öffnen. Im unteren Bereich des Bildschirms informiert ein Aktivitätenverlauf über die letzten Aktionen im Zusammenhang mit dem Schloss.
Die Zeiten für den direkten Verbindungsaufbau über Bluetooth waren teilweise schwankend, meist haben jedoch vier Sekunden genügt.
Die Benutzerverwaltung ist über die Einstellungen der App erreichbar. Hier kann man neuen Nutzern dann eine von drei Kategorien zuweisen. Der Gästezugang ist ausschließlich zeitlich begrenzt möglich, im Bereich Heimanwender finden sich Mitbewohner, die dauerhaft Zugang erhalten sollen und darüber hinaus ist es möglich, einem Nutzer die vollständige Kontrolle über das Schloss, also sozusagen Adminrechte zuzuweisen.
Die letztgenannte Option erfordert zwingend, dass man vor Ort und in Besitz der Schlüsselkarte ist. Will man lediglich Zugang gewähren, so lässt sich dies auch aus der Ferne über die App erledigen. Insbesondere der Zugang für Gäste ist sehr gut gelöst. Diesen schickt man einen Link, mit dem sie die speziell darauf zugeschnittene App Home + Guest laden und ohne Account nutzen können. Dabei legt man gleich auch fest, über welchen Zeitraum hinweg der App-Türöffner funktioniert.
HomeKit-Anbindung optional
Das Netatmo-Türschloss ist von Haus aus auch mit HomeKit kompatibel. Voraussetzung ist hier allerdings, dass ein Apple TV oder einen HomePod in Bluetooth-Reichweite vorhanden ist. Dann erscheint das Schloss auch in der Home-App und kann von dort aus alternativ zur Netatmo-App aktiviert werden, interessanter ist vermutlich aber die Möglichkeit, das Öffnen der Tür mit Aktionen im Stil von „Licht an, wenn jemand nach Hause kommt“ zu verknüpfen. Auch hier kann es je nach Standort aber ein paar lange Sekunden dauern, bis sich die Geräte über Bluetooth verständigt haben.
Die HomeKit-Einbindung ermöglicht es darüber hinaus, dass man mit der Netatmo-App auch aus der Ferne auf das Schloss zugreifen kann. Das Schloss selbst ist ja nicht mit dem Internet verbunden. Hier muss man allerdings mit der lästigen Tatsache leben, dass HomeKit weiterhin gerne mal unzuverlässig agiert und Geräte, die eben noch erkannt wurden, ohne jedes Zutun plötzlich als „nicht erreichbar“ angezeigt werden.
Gutes Konzept aber nicht ausgereift
Der Verzicht auf eine direkte Onlineanbindung ist eine interessante Alternative für Nutzer, die Smart-Lock-Funktionen nutzen, dies aber auf Vor-Ort-Aktivitäten beschränken wollen. Das Schloss hat bei unseren Tests sowohl bei Verwendung der kleinen Schüssel als auch über die Netatmo-App zuverlässig funktioniert, die App-Option stellt eigentlich auch eine sehr gute Erweiterung für ein auf die Schlüsselbedienung ausgelegtes Türschloss dar. Netatmo verschenkt hier allerdings Potenzial, denn bei einem Türschloss in dieser Preisklasse darf man auch mechanische Perfektion (ja, der wackelige Knauf…) und eine liebevoller gestaltete App erwarten. In letzterem Punkt dürfte Netatmo noch nachbessern und hoffentlich auch die diversen Text- und Übersetzungsfehler beseitigen. Allerdings war hier eigentlich schon im Vorfeld genug Zeit, denn das Schloss wurde vor mehr als drei Jahren angekündigt.
Das Netatmo-Türschloss ist zum Preis von 379,99 Euro über die Webseite des Herstellers erhältlich.