In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Tozero.
Start-ups: Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Tozero aus Karlsfeld bei München.
LI-Batterie-Recycling von Tozero: Gamechanger im E-Mobility-Sektor
Elektromobilität ist ein Thema, das schon seit längerer Zeit in den Medien präsent ist. Leider nimmt die deutsche Automobilindustrie dabei keine Vorreiterrolle ein. Stattdessen dominieren Asien, allen voran China und Vordenker wie Elon Musk den E-Mobility-Sektor.
Wer steckt hinter Tozero?
Diesen Rückstand wollen die Ingenieurinnen Sarah Fleischer und Ksenija Milicevic Neumann als Gründerinnen von Tozero nun aufholen. Ziel ihres Start-ups ist es, Lithium-Ionen-Batterien (Li-Batterien) über einen nachhaltigen Prozess zu recyceln und die dabei gewonnenen Rohstoffe wieder der Supply Chain – etwa in der E-Mobilität oder der Elektronik – zuzuführen.
Aktuell werden diese Materialien mit einem nicht unerheblichen (Kosten-)Aufwand etwa aus Asien, Afrika oder Südamerika nach Europa importiert, weil Recycling in Europa kaum eine Rolle spielt – noch.
Das noch junge Start-up – Fleischer und Milicevic Neumann starteten ihr Projekt im Juli 2022 – zog gleich zu Beginn sehr viel Aufmerksamkeit auf sich. So beteiligte sich mit Geldgebern wie dem ehemaligen VW-Vorstand Jochem Heizmann nicht nur ein illustrer Investoren-Kreis an Tozero.
Auch in Fachkreisen und der Öffentlichkeit löste Tozero großes Interesse aus. Denn Tozero präsentierte sich als einziger europäischer Batterie-Recycler in diesem Jahr auf der IAA und sorgte dort vor allem unter Batterie- und E-Auto-Herstellern für großes Aufsehen.
Innerhalb eines Jahres zum europäischen Marktführer gewachsen
Ein guter Start also, der bei genauerem Hinsehen nicht wirklich überrascht. Nehmen wir einmal die endlose Masse an Laptops und Smartphones. So gut wie jedes dieser Produkte wird heute mit Li-Akkus betrieben. Das gilt auch für E-Autos: Gerade in dieser Industrie wird die Batterie-Nachfrage in den kommenden Jahren durch die Decke gehen.
Der Bedarf an Rohstoffen für die Batterieherstellung ist bereits heute so enorm hoch, dass Tozero etwas mehr als ein Jahr nach seiner Gründung bereits zum führenden Batterie-Recycler Europas herangewachsen ist. Und ein Ende dieser erfreulichen Entwicklung ist nicht abzusehen. Das bestätigen auch eine Markt-Prognose von Tozero. Demnach soll
das Aufkommen des Lithium-Ionen-Batterie-Mülls in Europa bis 2030 pro Jahr um 30 Prozent zunehmen.
Das heißt, bis dahin werden jährlich etwa 250.000 Li-Akkus ihr Lebensende erreichen.
Deshalb häuft sich in den nächsten sieben Jahren allein in Europa ein Müllberg von einer Million Tonnen Lithium-Ionen-Batterien an.
Die alles entscheidende Frage ist nun: Wohin nur mit dem Batterie-Müll?
Große Anlage recycelt täglich Tonnen von Batterie-Müll
Die Antwort: nach Karlsdorf bei München. Denn dort eröffnete Tozero erst kürzlich eine Recycling-Anlage. Mittels eines proprietären hydrometallurgischen Verfahrens recycelt sie wertvolle Metalle wie Nickel, Kobalt, Grafit, Mangan oder Lithium in großen Mengen aus der sogenannte „Schwarzen Masse“ – also dem Metallmix, der in Batterien steckt.
Anschließend kommt es durch Siebe, Magnete und chemischen Prozesse zur sortenreinen Trennung der einzelnen Substanzen. Dank dieses, von Fleischer, Milicevic Neumann und ihrem 15-köpfigen Team selbst entwickelten Verfahrens erreicht das Unternehmen bereits heute die von der EU für 2031 in der „Batterieverordnung“ geforderte Lithium Mindestrückgewinnungsquote von 80 Prozent.
Damit leistet Tozero einen ganz wesentlichen Beitrag, um den (noch) lückenhaften Batteriekreislauf in Europa tatsächlich zu schließen. Mit der Produktionsanlage verarbeitet Tozero täglich mehrere Tonnen geschredderter Batterien.
Sie stammen überwiegend aus Großfabriken der europäischen Automobilindustrie oder von OEMs (Original Equipment Manufacturer), also den Batterieherstellern selbst, die Tozero täglich und vor allem sehr gerne beliefern.
Torero will Abhängigkeit von anderen Märkten reduzieren
Denn: Die Abhängigkeit von Rohstoff-Erzeugern aus Asien, Südamerika oder Afrika dürfte die europäische (Automobil-)Industrie schon gewaltig nerven, weil sie halt auch sehr kostspielig ist und das Entwicklungstempo bremst. Mit Tozero winken hier dagegen perspektivisch goldene Zeiten aus der Zukunft ins Heute, wenn vor Ort recycelte Metalle schon in wenigen Jahren für ein Drittel der europäischen Batterieproduktion ausreichen.
Allein deshalb dürften sich die Preise für europäische E-Autos und andere batteriebetriebene Produkte ebenso deutlich reduzieren, wie auch die geopolitisch ungünstige Rohstoff-Abhängigkeit von China und anderen Staaten. Aber auch unter ökologischen Gesichtspunkten ergibt Batterie-Recycling natürlich Sinn.
Denn es stellt den traditionellen fossilen Rohstoff- und Materialkreislauf radikal infrage und beschleunigt gleichzeitig die Dekarbonisierung. Aus dieser Perspektive kann Europa unbesorgt in das Zeitalter der Elektrifizierung eintreten, die Innovation fortsetzen und die Lebensqualität steigern, ohne dabei Kompromisse eingehen zu müssen.
Fazit: Batterie-Recycling von Tozero
Europäisches Li-Batterie-Recycling verfügt dank Tozero über das Potenzial, sich zu einem Gamechanger im europäischen E-Mobility-Sektor zu entwickeln. Die Aussichten für Tozero sind glänzend, weil sich das
Tozero-Verfahren beliebig skalieren und
dank der proprietären Technologie, hervorragend monetarisieren lässt.
Hinzu kommt eine sehr positive Marktentwicklung und:
Tozero will bis 2030 sein Geschäft ausbauen. Ein Großteil der Li-Batterien für den europäischen Markt will das Start-up nämlich selbst produzieren.
Der letzte Punkt dürfte vor allem die Investoren erfreuen. Denn damit wird die europäische E-Mobility im Vergleich zu Asien mittelfristig endlich an Fahrt aufnehmen, allen voran in der Automobilindustrie. Zu erwarten ist daher, dass auch durch Tozero die Preise für E-Autos in Zukunft sehr wahrscheinlich nachgeben werden.
Damit steigt allerdings auch der Preisdruck auf die Zulieferindustrie, also auch auf die Recycling-basierten Batteriehersteller in Europa. Sie werden versuchen, die Tozero-Idee nachzuahmen beziehungsweise zu verbessern. Denn die positiven Marktaussichten erscheinen einfach zu verlockend. Noch profitiert das junge Unternehmen hier von seinem technologischen Alleinstellungsmerkmal.
Abzuwarten bleibt daher, inwiefern sich Tozero in einem sich differenzierenden Markt behaupten kann oder ob es sich gar zu einem Asset innerhalb zukünftiger Übernahmestrategien der großen europäischen Automarken oder Batteriehersteller wandelt. Für beide Szenarien sind die Start-up-erfahrenen Ingenieurinnen Sarah Fleischer und Ksenija Milicevic Neumann bestens gewappnet.
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