In den letzten Jahren hat sich die Podcast-Welt zu einem vielfältigen Medium entwickelt, das nicht nur Unterhaltung, sondern auch hochwertige Informationen bietet. Durch Werbemöglichkeiten können neben den Podcastern selbst auch Unternehmen von Podcasts profitieren. In einem exklusiven Interview mit Tobi Griebenow, dem Director of Content im deutschen Acast Team, tauchen wir in die Veränderungen des Podcast-Markts ein, beleuchten aufstrebende Genres, sprechen über die Chancen der Podcast-Werbung und betrachten die internationale Perspektive. Erfahre, wie sich die Branche weiterentwickelt und welche Potenziale und Risiken der Einsatz von KI birgt.
Tobi Griebenow ist seit März 2021 Director of Content im deutschen Acast Team. In seiner Position ist er dafür zuständig, das Team aus lokalen Podcast-Expert:innen für den richtigen Content in Deutschland zu sensibilisieren und deutsche Partner:innen auf ihrer Podcast-Reise zu begleiten. Mit seiner Erfahrung unterstützt er Podcaster und Publisher bei allen wichtigen Podcast-Themen, wie etwa Wachstum und Monetarisierung über alle Plattformen hinweg. So will Acast seine weltweit führende Rolle als Podcast-Unternehmen auch in Deutschland weiter ausbauen.
Das Interview
OnlineMarketing.de: Wie hat sich die Podcast-Landschaft in den letzten Jahren verändert, welche Trends sollte man für das Jahr 2024 auf dem Schirm haben?
Tobi Griebenow: Wir sehen heute einen deutschen Markt, der erwachsen geworden ist. Das spiegelt sich auch in den Werbespendings wider, die seit Jahren wachsen. Allerdings auch immer noch mit Luft nach oben. Was die Vermarktung betrifft, sehen wir auch viele andere positive Entwicklungen: So werden zum Beispiel immer mehr Werbeplätze programmatisch verkauft, das macht Podcast-Werbung effizienter. Außerdem diversifiziert sich auch das Portfolio an Werbeformaten. Früher war Podcast-Werbung gleichzusetzen mit Host Reads, heute gibt es ganz viele weitere Werbeformate. Besonders zu nennen sind hier Podcast Spots – Audio Spots, die speziell für das Format Podcast produziert werden und kürzer sind als Host Reads. Die lassen sich sehr gut programmatisch buchen, sind kostengünstig und breit einsetzbar. Insgesamt lässt sich außerdem noch sagen, dass es für Werbetreibende immer einfachere und bessere Möglichkeiten gibt, Podcast-Werbekampagnen umzusetzen. Bei Acast bieten wir mittlerweile so verschiedene Optionen wie unsere „Self-Service-Plattform” – wo auch kleine Unternehmen preiswert Kampagnen buchen können – oder einen Echtzeit-Kampagnen-Planer für Werbetreibende, der ihre Arbeit massiv erleichtert.
Bei den inhaltlichen Entwicklungen sehe ich vor allem, dass es mehr und mehr hochklassig produzierte Dokumentations-Podcasts gibt, die sich mit gesellschaftsrelevanten und wissenschaftlichen Themen auseinandersetzen, die die Menschen gerade bewegen. Ein Beispiel dafür ist der Podcast „Hitze“ von TRZ Media und dem rbb über die Letzte Generation, bei dem wir mit Hosting, Distribution und Vermarktung unterstützen durften.
Gibt es spezifische Podcast-Genres oder -Formate, die in letzter Zeit besonders stark gewachsen sind?
Short Form Content wird gerade immer beliebter. Wir sehen auch vermehrt Podcasts mit Fokus auf Musikthemen, in unserem Netzwerk sind das zum Beispiel „Electro Ghetto“ oder der „Animus Podcast”. Dasselbe gilt für Podcasts zu Sportthemen wie Mountainbiking, Golf oder Laufen. Ein weiteres Beispiel aus unserem Podcast-Netzwerk, über dessen Beliebtheit ich mich freue: Wir bieten einen aggregierten Podcast Feed, der viele der besten deutschen Podcaster versammelt. Der kommt bei Hörer:innen sehr gut an.
Welche Nischen sind noch nicht allzu stark besetzt? Kannst du ein Beispiel nennen?
Leider ist fehlende Diversität noch immer ein Thema. Es gibt noch immer viel mehr männliche Podcaster, Frauen sind unterrepräsentiert. Demgegenüber stehen „Daddy Podcasts”, das sind Podcasts von Männern, die Shows zu Themen wie Vatersein und Familienleben machen. Finde ich toll, davon sollte es unbedingt noch mehr geben. Insgesamt gibt es aber einfach noch eine ganz große Zahl potenzieller weiterer Nischen, die noch klein sind und viel Wachstumspotenzial haben. Ich bin sehr gespannt, was die Zukunft hier bringt.
Siehst du die Podcast-Generierung und -Bearbeitung, auch -Übersetzung, als große Chance für die Branche an oder als Zäsur für die holistische Arbeit am Podcast?
Ich sehe das vor allem als große Chance: Je einfacher es ist, einen Podcast zu starten, desto besser für die gesamte Podcastbranche! Das sorgt für Vielfalt. Ich finde es toll und faszinierend, wie schnell sich das alles gerade entwickelt. Wir haben zum Beispiel eine Kooperation mit dem Tool Podcastle, mit dem man Podcasts ganz einfach aufnehmen, editieren und transkribieren kann, alles mit KI-Unterstützung. Solche Lösungen machen Podcasting viel einfacher!
Dasselbe gilt für Podcast-Übersetzungen. Gut gemacht, sind sie eine tolle Möglichkeit, Reichweiten von Podcasts über Ländergrenzen hinweg zu erhöhen, ganz neue Zielgruppen zu erreichen und Hörer:innen völlig neue Inhalte zu liefern, die vielleicht auch ganz anders sind als das, was sie aus ihrem Land gewohnt sind. Auch hier ein Beispiel aus unserer eigenen Arbeit: Acast kooperiert seit diesem Jahr mit dem dänischen Podcast-Unternehmen Podster, das sich darauf spezialisiert hat, Podcasts für andere Märkte zu adaptieren. Podster hat das schon vielfach erfolgreich umgesetzt, und ich glaube, von solchen internationalen Adaptionen werden wir zukünftig noch viel mehr sehen.
Trotzdem gibt es natürlich auch Risiken. Mit KI lassen sich Stimmen schon erschreckend realistisch nachbilden, davor müssen wir als Branche Podcaster schützen. Deep Fakes könnten zum Problem werden, für das wir Lösungen brauchen.
Inwieweit können Personalisierungsstrategien vor allem von Unternehmens-Podcasts dazu beitragen, die Zuhörer:innenbindung zu stärken und das Engagement zu erhöhen?
Unternehmens-Podcasts können die Kund:innenbindung und -zufriedenheit stärken und positiv auf eine Brand einzahlen, wenn sie die Werte der Brand widerspiegeln und dabei wirklich gut gemacht sind und den Hörer:innen echten Mehrwert bieten. Aber selbst dann brauchen Marken meist einen langen Atem, damit sich ein solches Format spürbar auszahlt. Für viele Marken ist der Aufwand im Vergleich zum Ertrag sehr hoch – ich würde daher den meisten von ihnen empfehlen, statt eigener Unternehmens-Podcasts eher langfristige Kollaborationen mit guten, passenden Podcasts einzugehen.
Welche Distributionserweiterungen sind für die Inhalte unerlässlich, TikTok, YouTube, Instagram oder gar ein WhatsApp Channel?
Um Podcasts sichtbarer und bekannter zu machen, würde ich auf TikTok und Instagram setzen. Da kann man sehr gut visuellen Short Form Content einsetzen und damit Nutzer:innen zu Podcast-Plattformen lenken, wo sie dann idealerweise ganze Podcast-Folgen hören und die Shows abonnieren. Dafür empfehlen sich sowohl Folgen-Highlights als auch kleine Previews auf zukünftige Folgen, die Neugier und Interesse wecken. Gerade bei TikTok hilft auch der Vorschlagsalgorithmus sehr, mit dem eigenen Content entdeckt zu werden und neue Zielgruppen zu erreichen. Aber eines ist natürlich klar: Podcast selbst ist und bleibt ein reines Audioformat und sollte das auch bleiben. Alles andere dient der Promotion, der Podcast selbst bleibt aber sozusagen das „Herzstück”.
Welche Ad-Formate können Brands speziell ausprobieren?
Das kommt immer sehr auf die Brand und ihre Ziele an. Die klassischen Host Reads sind weiterhin sehr beliebt, und das zu Recht. Aber das ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Wir empfehlen immer, auch auf Podcast Spots zu setzen. Podcast Spots muss man sich im Prinzip so wie Radio-Spots vorstellen – in Tonalität und Lautstärke aber speziell auf den Kanal Podcast zugeschnitten. Podcast Spots sind kürzer als Host Reads, können automatisiert gebucht und ausgespielt werden, sind beliebig skalierbar und eine kostengünstige Alternative oder Ergänzung zu nativen Werbeformaten wie Host Read oder Sponsorships.
Auch Sponsorships, die von den Hosts eingelesen werden, sind eine gute Werbemöglichkeit mit hohem Identifikationsfaktor, ebenso gebrandete Episoden. Beliebter werden auch „Producer Reads”, also Werbebotschaften, die nicht von den Hosts, sondern von den Produzent:innen eines Podcasts eingesprochen werden – eine schöne Abwechslung zu den anderen Formaten. Und natürlich bieten sich auch Presenter Reads an, bei der eine Podcastfolge von einer Brand präsentiert und diese am Anfang der Folge genannt wird.
Es gibt also ganz viele Möglichkeiten, die oft in Kombination noch besser funktionieren als einzeln.
Welches Monetarisierungsmodell bei Acast ist bei Creatorn am beliebtesten?
Am beliebtesten bei unseren Creatorn ist Monetarisierung durch Werbung, und zwar durch eine Mischung aus Host Reads und Podcast Spots. Bei Host Reads haben sie ja nicht nur viel Freiraum in der Gestaltung, sondern auch bei der Auswahl der Brands, mit denen sie arbeiten wollen – da suchen sich Creator meist nur solche aus, mit denen sie sich wirklich identifizieren können. Podcast Spots sind deshalb bei Creatorn beliebt, weil sie bei denen überhaupt keine Arbeit haben, aber durch unsere „Blocklists” trotzdem sicher sein können, dass nur Werbung von Unternehmen aus Branchen in ihren Shows geschaltet wird, mit denen sie einverstanden sind. Außerdem bieten Podcast Spots meist langfristige statt einmaliger Erträge und sorgen damit laufend für Einnahmen. Das ist für Creator natürlich wichtig.
Bei welcher Folgenlänge ist Werbung sinnvoll?
Das kommt auf das Werbeformat an. Podcast Spots mit einer Länge von 30 Sekunden oder Presenter Reads, die nur zehn Sekunden lang sind, können schon in sehr kurzen Episoden ab etwa fünf Minuten Länge eingespielt werden. Bei Host Reads, die im Schnitt 60 bis 90 Sekunden lang sind, sollte man das Verhältnis von Werbung zu Podcast-Inhalt sorgfältig ausbalancieren. Der Inhalt sollte mindestens zehnmal so lang sein wie die Werbung. Das ist wirklich die unterste Grenze.
Wie kommen Brands und Podcast Creator am besten zusammen, um den passenden Brand Fit zu finden?
Indem sie mit guten Vermarktungsunternehmen zusammenarbeiten – wie zum Beispiel Acast. Wir legen bei unserem „Acast Marketplace” – unserer Plattform, auf der Creator und Werbetreibende zusammenfinden – sehr viel Wert darauf, dass es zwischen Brands und Podcastern wirklich passt, denn sonst ist am Ende niemand zufrieden. Dazu braucht es gute persönliche Beratung der Werbekund:innen.
Was für uns auch sehr wichtig ist: Den Werbetreibenden zu vermitteln, dass es für ihre Kampagne auf keinen Fall immer die bekannten großen Podcasts sein müssen. Klingt natürlich erstmal toll, nur in den oberen Podcast Charts zu werben. Die Realität ist dann aber leider, dass viele Werbetreibende um wenig Werbeinventar konkurrieren, das teuer ist und eben nicht unendlich verfügbar. Und oft nicht mal die bestmöglichen Kampagnenergebnisse liefert. Denn in vielen Fällen ist es für Brands viel empfehlenswerter, in kleineren Shows zu werben oder diese zumindest mit größeren Shows zu kombinieren. Es gibt eine riesige Anzahl kleinerer Shows, die sehr spezifische Themen und Nischen bedienen und damit sehr treue Hörer:innenschaften aufgebaut haben. Wenn hier ein Podcast gut zu einer Brand und ihren Produkten passt, sollte das die erste Wahl sein. Und kostengünstiger ist es auch.
Wie unterscheiden sich Podcast-Trends und -Vorlieben in verschiedenen Regionen der Welt, und wie können Brands global erfolgreiche Podcast-Strategien entwickeln?
Was die inhaltlichen Trends in verschiedenen Märkten betrifft: Da sind die Unterschiede eigentlich gar nicht so groß. Um ein Beispiel herauszugreifen: Generell sehen wir in vielen der großen Podcastmärkten wie den USA eine Tendenz zu immer hochwertigeren Produktionen von Storytelling Podcasts, was ich großartig finde. Auch Deutschland entwickelt sich in diese Richtung, aber man muss auch sagen, dass gerade in 2023 wegen der wirtschaftlichen Lage die Budgets für solche Produktionen nicht mehr so locker verteilt wurden. Ich hoffe, dass die Budgets dafür im nächsten Jahr wieder steigen.
Was Podcast-Werbung angeht, unterscheiden wir unterschiedliche Märkte vor allem nach ihrem Reifegrad. Zu den fortschrittlichsten Märkten gehören Schweden und das Vereinigte Königreich. In solchen reiferen Märkten investieren Brands insgesamt mehr in Podcast-Werbung als in Deutschland, hier ist das Thema für ganz viele Werbetreibende noch immer relativ neu und die Budgets sind oft überschaubar. In den reiferen Märkten sind Brands auch insgesamt viel offener für verschiedene Werbeformate. In Deutschland stehen wir hier noch am Anfang, während in anderen Märkten eine Vielzahl von Werbeformaten einfach schon zum Standard gehört. Ich bin mir aber sicher, dass Deutschland da aufholen wird.
Wenn Brands globale statt lokaler Strategien entwickeln wollen, hilft es natürlich sehr, mit Partner:innen zu arbeiten, die sich länder- und kontinentübergreifend auskennen und die Besonderheiten der einzelnen Märkte kennen – wie wir es bei Acast tun. Wir sind seit Jahren in vielen Märkten weltweit aktiv, mittlerweile sind es 15, und kennen die Unterschiede genauso wie die Gemeinsamkeiten. Davon profitieren unsere Werbepartner:innen natürlich genauso wie unsere Podcaster.
Durch eure Zusammenschließung mit Zebralution Podcast setzt ihr auf Kooperation für mehr Potentiale im Podcast-Raum Deutschland. Welche Vorteile bringt das für Creator und Marken und wie möchtet ihr euch von anderen Playern abheben?
Unsere Partner:innenschaft mit Zebralution war für uns wirklich ein wichtiger Schritt im deutschen Markt. Über das Vertrauen von Zebralution freuen wir uns sehr. Was unsere beiden Unternehmen verbindet, ist, dass wir unsere Podcaster immer in den Mittelpunkt stellen. Und zwar alle, nicht nur die mit großen und bekannten Shows. Wir betrachten uns immer noch als Unternehmen mit „Indie-Fokus”. Podcaster sollen mit ihrer Arbeit Geld verdienen, das ist uns wichtig und daran arbeiten wir mit Zebralution.
Die Kooperation zwischen uns ist aber natürlich auch für werbetreibende Brands sehr gut: Sie haben nun auf unserem „Acast Marketplace” eine noch viel größere Auswahl toller Podcasts, in denen sie Kampagnen schalten können. Das in Kombination mit der Option, mit uns auch internationale Kampagnen umzusetzen, ist für den deutschen Markt schon etwas Besonderes, das nur wir anbieten.
Wir bedanken uns recht herzlich bei Tobi Griebenow von Acast für die ausführlichen Insights im schriftlichen Interview.